Wie lässt sich Bauen nachhaltiger gestalten? Für Thomas Hagedorn, Chef der Hagedorn-Unternehmensgruppe, liegt die Antwort klar auf der Hand: weniger Versiegelung, mehr Recycling, mehr Mut beim Brownfield. Sogenannte Brownfields, also bereits genutzte oder brachliegende Industrie- und Gewerbeflächen, bieten laut Hagedorn enormes Potenzial. „Dort können wir bauen, ohne weitere Naturflächen zu versiegeln“, sagt er beim Wohnungspolitischen Kongress in Hannover.
„Wir haben aktuell 51 Hektar pro Tag an zusätzlicher Versiegelung durch Wegebau oder Hochbau“, sagte Hagedorn. „Da waren wir schon einmal bei 49, jetzt ist die Zahl wieder gestiegen – eine falsche Entwicklung.“
Das Ziel der Bundesregierung bezeichnete er als ambitioniert: Bis zum Jahr 2030 sollen nur noch 30 Hektar täglich neu versiegelt werden, bis 2050 soll der Wert sogar bei null liegen. Hagedorn sieht darin eine große Herausforderung – aber auch eine klare Richtung: „Wir haben 150.000 Hektar Brachflächen in Deutschland. Nicht alle liegen exponiert, aber ein Großteil davon muss unbedingt genutzt werden. Da fängt Recycling an – die Ressource ‚Grüne Wiese‘ lassen wir in Ruhe und nehmen die braune Fläche zuerst.“
Trotzdem bleibt der Griff zur unbebauten Fläche für viele Investoren attraktiv. Hagedorn nennt die Gründe: „Die grüne Wiese ist genehmigungsfähig, da gibt’s keine Altlasten. Beim Brachland gibt’s Kompromisse, Kontaminationen, Sanierungsbedarf – das mögen viele Investoren nicht.“
Er fordert deshalb vereinfachte Planungsverfahren statt zusätzlicher Fördergelder: „Ich rede gar nicht von Förderung. Aber vielleicht von einem bevorzugten Verfahren im Bauplanungsrecht. Da könnten wir beschleunigen. Das ist keine Raketenwissenschaft – man muss es nur wollen und machen.“
Recycling als Standard
Auch beim Baustoff-Recycling sieht Hagedorn großen Nachholbedarf. „60 Prozent aller Abfälle stammen aus dem Rückbau. Das sind rund 210 Millionen Tonnen im Jahr. Offiziell gelten 80 Prozent als recycelt – aber das stimmt nicht.“
Tatsächlich würden viele dieser Materialien lediglich als Verfüllung in Kiesgruben oder unter Hallen verwendet. Qualitativ aufbereitet seien maximal 20 Prozent. „Wir müssen dahinkommen, dass die alte Brücke in die neue Brücke kommt. Heute ist die Abrissbaustelle die Kiesgrube von morgen – das müssen wir umdrehen.“
Auch in Niedersachsen erleben wir, dass bei Brückenauffüllungen Recyclingprodukte kategorisch ausgeschlossen werden. Das ist die falsche Richtung.
Thomas Hagedorn
Hagedorn kritisiert den Föderalismus und die kleinteilige Zuständigkeit im Abfallrecht: „Wir haben erlebt, dass 80.000 Tonnen reinstes Betonmaterial nicht in eine öffentliche Straße eingebaut werden durften, weil eine alte Liste Recyclingprodukte ausschloss. Stattdessen wurde das Material 50 Kilometer weit gefahren – und Naturstein aus dem Sauerland herangeschafft. Das ist ökologisch und ökonomisch totaler Wahnsinn.“
Sein Appell: Die öffentliche Hand muss hier Vorreiter sein. „Auch in Niedersachsen erleben wir, dass bei Brückenauffüllungen Recyclingprodukte kategorisch ausgeschlossen werden. Das ist die falsche Richtung. So kriegen wir das nicht hin.“
Fazit: Thomas Hagedorn macht deutlich: Nachhaltiges Bauen beginnt nicht mit neuen Gesetzen oder Subventionen – sondern mit einem Mentalitätswechsel. Statt immer neue Flächen zu versiegeln, müsse Deutschland lernen, mit vorhandenen Ressourcen zu arbeiten. Oder wie er es selbst formuliert: „Die alte Brücke muss in die neue Brücke.“
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