Mit einer Rede, die an Klarheit nichts vermissen ließ, hat Dachdecker-Landesinnungsmeister Carsten Stelter der Politik die Herausforderungen des Handwerks ins Stammbuch geschrieben. Beim 75. Landesverbandstag in Wilhelmshaven forderte er weniger Bürokratie, kürzere Prozesse – und „vor allem gesunden Menschenverstand“. Seine Erkenntnis: „Wenn Bürokraten die Entbürokratisierung organisieren, dann kommt am Ende nur noch mehr Bürokratie heraus.“

Stelter brachte Beispiele, die das Publikum schmunzeln ließen – und zugleich den Ernst der Lage zeigten: Gefährdungsbeurteilungen selbst für Schwangere, obwohl es im Betrieb keine einzige Mitarbeiterin in dieser Situation gebe. Elektronische Krankmeldungen, denen Betriebe mühsam selbst hinterhertelefonieren müssen. Statistiken, die seit Jahrzehnten unverändert abgefragt werden, obwohl längst bekannt sei, dass sich dadurch nichts ändere. „Wir verbringen Tage mit Formularen, anstatt Dächer zu decken – das ist Wahnsinn“, sagte Stelter.
Wenn Bürokraten die Entbürokratisierung organisieren, dann kommt am Ende nur noch mehr Bürokratie heraus.
Carsten Stelter
Besonders energisch kritisierte er die zähen Genehmigungsverfahren. Während ein Flüssiggasterminal in Wilhelmshaven in Rekordzeit genehmigt und gebaut wurde, wartet ein Kollege seit über einem halben Jahr auf die Freigabe für eine einfache Lagerhalle – und muss sich mit absurden Auflagen wie einem Lärmgutachten für eine Materialhalle auseinandersetzen. Stelter: „Das zeigt, wie weltfremd unsere Baupraxis geworden ist. Wir brauchen weniger Angst und mehr Mut zu Entscheidungen.“
Neue Herausforderungen durch die GenZ
Ein zweiter Schwerpunkt seiner Rede galt der Ausbildung im Dachdeckerhandwerk. Zwar seien die Zahlen positiv, doch die Generation Z stelle Betriebe vor neue Herausforderungen. Stelter erzählte die Geschichte eines jungen Azubis, der nach nur einem halben Tag auf der Baustelle in Tränen ausbrach und nicht mehr konnte. „Das hat mich schockiert – weil es zeigt, dass wir junge Menschen heute anders abholen müssen.“ Es reiche nicht, nur Lehrstellen zu schaffen. „Wir müssen uns ernsthaft mit den Bedürfnissen dieser Generation auseinandersetzen, sonst verlieren wir sie.“
Um die Attraktivität der Ausbildung zu steigern, sprach Stelter leidenschaftlich für Investitionen in moderne Ausbildungszentren. Digitale Lernangebote, Aufenthaltsqualität und bessere Betreuung seien entscheidend. Seine Vision: „Unsere Lehrlinge sollen am Ende sagen: Die Zeit im Ausbildungszentrum war die beste Zeit meiner Ausbildung. Das ist der Maßstab, an dem wir uns messen lassen müssen.“
Zum Abschluss wurde Stelter persönlich – und zitierte ein Gedicht seines Vaters: „Mit Herz, Hand und Verstand – so gestalten wir die Zukunft.“ Diese Worte seien für ihn mehr als ein Spruch, sondern ein Versprechen. „Es ist unsere Aufgabe, das Handwerk stark in die Zukunft zu führen. Und das geht nur, wenn wir uns nicht im Papier verlieren, sondern uns auf das Wesentliche konzentrieren.“