„Verrat am Mittelstand“ – starke Worte, aber sie beschreiben zumindest zu einem Teil ein wichtiges Thema beim Vergabetag 2025. Immer wieder ging es bei der Veranstaltung in Hannover um die sogenannte Teillosvergabe, bei der größere Aufträge in mehrere kleinere Teile („Lose“) aufgeteilt werden.
Auch Alexander Petschulat, Leiter des Rechtsreferats der Ingenieurkammer-Bau Nordrhein-Westfalen, ging in seinem Vortrag vor den rund 200 Gästen darauf ein. Im Gespräch am Rande der Vergabetags verweist er auf erhebliche Risiken für die Struktur der deutschen Planungslandschaft.
Angriff auf die Mittelstandsfreundlichkeit des Vergaberechts
Ausgangspunkt der Debatte ist das sogenannte Vergabebeschleunigungsgesetz, das Petschulat grundsätzlich positiv bewertet. Es stehe „unter dem Motto Vereinfachung, Digitalisierung, Beschleunigung“ und enthalte viele Verbesserungen, die sowohl den Planern als auch Auftraggebern zugutekommen. Viele Anregungen aus der Praxis seien aufgenommen worden.
Kritisch sieht er jedoch den aktuellen politischen Vorstoß, den zentralen Grundsatz der Einzel- und Teillosvergabe deutlich zu schwächen oder sogar vollständig abzuschaffen. Dieser Grundsatz gilt seit Jahrzehnten als Garant mittelstandsfreundlicher Vergabestrukturen.
Während der ursprüngliche Gesetzesentwurf lediglich eine eng begrenzte Ausnahme für das Sondervermögen der Kommunen – rund 500 Milliarden Euro – vorsah, wird nun plötzlich darüber diskutiert, die Teillosvergabe „generell abzuschaffen“. Petschulat nennt diese Forderung „Verrat am Mittelstand.“
Zuvor hatte auch der Präsident der Ingenieurkammer Niedersachsen, Martin Betzler, eindringlich vor negativen Veränderungen durch das geplante Vergabebeschleunigungsgesetz gewarnt. "Wenn bei Vergaben nur noch wenige große Anbieter antreten, gibt es keinen vernünftigen Wettbewerb mehr, und es wird für alle teuer.“ Deshalb brauche es weiterhin „händelbare Vergabepakete“ und keine Gesamtvergabe, so Betzler. Der Mittelstand sei das Rückgrat der deutschen Planungs- und Bauwirtschaft.
Das Thema Teillosvergabe beschäftigt auch die Architekten. Maria Atitar, Vorsitzende des Ausschusses „Wettbewerbs- und Vergabewesen“ der Architektenkammer Niedersachsen, betonte im Gespräch, dass die meisten Architektur- und Ingenieurbüros „unter zehn Mitarbeiter haben“ und sich damit einem immer härteren Wettbewerb mit großen Unternehmen gegenübersähen. Durch eine Abschwächung der losweisen Vergabe drohe, dass kleine Büros zunehmend nur noch als Subplaner für große Bauunternehmen arbeiten könnten – mit erheblichen Folgen: „Dann stehen die Architekten nicht mehr im Dienste des eigentlichen Bauherrn, sondern sie sind dem Auftraggeber verpflichtet“, was sowohl für die Qualität als auch für die Unabhängigkeit der Planung nachteilig sei.
Zudem warnte Atitar ausdrücklich davor, dass eine Abschaffung der Losvergabe die Bewerbervielfalt massiv einschränken würde: „Sonst hat man irgendwann eine Handvoll großer Akteure, die sich den Markt untereinander aufteilen“.
Politische Arbeit läuft – Erfolg noch ungewiss
Die Ingenieur- und Architektenkammern der Länder sind aktuell intensiv damit beschäftigt, gegenüber Politik und Ausschüssen die weitreichenden Konsequenzen dieser Änderung darzustellen. Petschulat sagte, man sei arbeite gerade an „allen Ecken und Enden daran, zu erklären und zu überzeugen“. Ob die Bemühungen erfolgreich sein werden, sei „momentan ungewiss“.