Plenarpause im niedersächsischen Landtag, die meisten Abgeordneten sind in Sitzungen oder gerade Mittagessen. Währenddessen wird in einem Raum im Untergeschoss des Landtags eine Charta unterzeichnet, die für den Straßenbau eine große Bedeutung haben soll.
„Charta für eine partnerschaftliche und effektive Zusammenarbeit im Straßenbau“ heißt das Dokument. Das klingt technisch, aber es soll zu einer partnerschaftlichen und effektiveren Zusammenarbeit führen. Bauindustrie, Ingenieurkammer, die zuständige Landesbehörde und Politik wollen damit Planungs- und Bauprozesse beschleunigen, Konflikte zu reduzieren und moderne Methoden verbindlicher einsetzen.
Für Rudolf Sabatier, Technischer Direktionsleiter für Niedersachsen und Sachsen-Anhalt bei STRABAG, ist die Charta der Beginn eines längeren Prozesses. „Das ist Schritt eins, ein Startschuss“, sagt Sabatier nach der Unterzeichnung.
Entscheidend sei, dass Grundsätze wie schnelle Entscheidungen auf der Baustelle auch wirklich in die Praxis gelangen. „Alles, was zusätzliche Leistungen betrifft, zieht sich heute oft über Jahre – nicht Wochen.“ Besonders wichtig seien klare Verantwortlichkeiten vor Ort, um langwierige Abstimmungen zu vermeiden. Auch die Digitalisierung spiele dabei eine große Rolle.
Bauen statt streiten
Ina Schustereit von der Bauindustrie Niedersachsen-Bremen hebt hervor, dass sich alle Partner bewusst auf eine neue Verhandlungs- und Projektkultur verpflichtet haben. „Wir haben uns eine Kultur auferlegt, die von Vertrauen und Transparenz geprägt sein soll.“ Die Charta solle helfen, den Investitionshochlauf zu bewältigen und Bauprojekte schneller umzusetzen. Die Maxime laute „Bauen statt streiten“. Alternative Vertragsmodelle könnten einen wichtigen Beitrag leisten, um kooperativer und effizienter zu arbeiten.
Für Stephan von Friedrichs, Hauptgeschäftsführer der Ingenieurkammer Niedersachsen, schafft die Charta vor allem einen verbindlichen Rahmen. „Geld alleine hilft nicht. Wir brauchen klare Prozesse, die gut funktionieren und miteinander gut funktionieren.“ Die Brücken- und Straßeninfrastruktur sei vielerorts überaltert, deshalb brauche es moderne Instrumente, Transparenz und eine Planung, die Qualität und Verlässlichkeit sichert. Der Runde Tisch Straßenbau sei dafür eine zentrale Plattform.
Wirtschaftsminister Grant Hendrik Tonne stellt die politische Dimension heraus. Mit dem jüngst beschlossenen Nachtragshaushalt und den Bundesmitteln stehen bis zu 1,8 Milliarden Euro zusätzlich für Infrastrukturmaßnahmen bereit, davon rund 500 Millionen Euro für Straßen und Brücken. „Wir wollen, dass die Mittel auf die Straße kommen – sichtbar und spürbar.“ Die Charta formuliere dafür einen gemeinsamen Kompass: „partnerschaftlich, fair, transparent“. Sie solle helfen, Planungs- und Bauprozesse robuster und zukunftsfähiger zu machen.
Geld alleine hilft nicht. Wir brauchen klare Prozesse, die gut funktionieren und miteinander gut funktionieren.
Stephan von Friedrichs
Mit der Unterzeichnung verbinden alle Beteiligten die Erwartung, dass Projekte künftig schneller beginnen, Entscheidungen klarer getroffen und moderne Verfahren wie das digitale BIM-Verfahren (Building Information Modeling) stärker eingesetzt werden. Die Charta ist nicht rechtlich bindend, soll aber Leitlinie für eine neue Form der Zusammenarbeit im niedersächsischen Straßenbau sein.