Wenn man auf der Digitalen Baustelle der TU Braunschweig steht, sieht man Zukunft: Was hier unter freiem Himmel entsteht, ist mehr als ein Experiment. Es ist ein Schaufenster in die nächste Ära des Bauens – digital, nachhaltiger und realitätsnah.
„Eine solche Kombination von Technologien und Möglichkeiten gibt es auf dem Kontinent kein zweites Mal“, sagt Professor Patrick Schwerdtner. Er leitet das Projekt an der Technischen Universität Braunschweig. Die Forschungsinfrastruktur, an der Institute aus Architektur, Bauingenieurwesen und Umweltwissenschaften gemeinsam arbeiten, ist europaweit einzigartig.
Hier werden digitale Fertigungstechnologien unter echten Baustellenbedingungen getestet – ein seltener Ansatz. „Unser Ziel ist es, digitale Systeme nicht isoliert zu betrachten, sondern als vernetztes Ganzes. So wie sie künftig auf Baustellen funktionieren sollen“, erklärt Schwerdtner.
Die Digitale Baustelle knüpft an den Sonderforschungsbereich „Additive Manufacturing in Construction (AMC)“ an, den die TU Braunschweig gemeinsam mit der TU München leitet. Dort wurden die Grundlagen für den 3D-Betondruck und andere additive Verfahren gelegt. Jetzt geht es darum, sie in die Anwendung zu bringen – im Maßstab 1:1.
„Wir wollen zeigen, wie sich Prozesse digital planen, steuern und optimieren lassen“, sagt Schwerdtner. Dafür brauche es messbare Daten, Kennzahlen und Strukturen, die Entscheidungen nicht nur qualitativ, sondern quantitativ absichern.
Weniger Aufwand, mehr Wirkung
Ein Kerngedanke seiner Forschung ist Pragmatismus. „Wir müssen mit adäquatem Aufwand und nach dem Prinzip Keep it simple arbeiten“, betont Schwerdtner. Nur wenn neue Technologien vor Ort funktionieren, werden sie akzeptiert. Deshalb sollen schnelle Erfolge zeigen, wie sich Effizienz und Nachhaltigkeit gleichzeitig erreichen lassen.
Ein Beispiel dafür steht direkt vor Ort: Ein Portal-Drucksystem, das Betonbauteile automatisiert druckt und gleichzeitig durch einen zweiten Roboterarm unterstützt wird. „Das Gerät kann zementbasierte Strukturen additiv herstellen und gleichzeitig bearbeiten – etwa glätten oder nachbehandeln“, erklärt Schwertner.
Wir wollen zeigen, wie sich Prozesse digital planen, steuern und optimieren lassen.
Prof. Patrick Schwerdtner
Der Vorteil liegt auf der Hand: weniger Personalaufwand, höhere Präzision, weniger Materialverbrauch. „Künftig wird es nicht nur darum gehen, günstig zu bauen, sondern ressourcenschonend. Denn das Personal und die Rohstoffe sind begrenzt.“
Was hier erforscht wird, verändert nicht nur Baustellen, sondern auch Berufsbilder. Die digitale Bauwirtschaft wird neue Qualifikationen verlangen – etwa in der Datenanalyse, im Umgang mit Robotik oder bei der Entwicklung nachhaltiger Materialien. Gleichzeitig steigen Qualität und Sicherheit auf der Baustelle.
„Wir wollen zeigen, dass Ökonomie und Ökologie kein Widerspruch sind“, sagt Schwerdtner. Für ihn ist die Digitale Baustelle mehr als ein Forschungsprojekt – sie ist ein Zukunftslabor.