„Wir müssen mindestens so schnell sein wie die Klimakrise“, sagt Christian Meyer auf dem Branchentag des Landesverbands Erneuerbare Energien in Hannover. Der grüne Umweltminister aus Niedersachsen steht im Kuppelsaal, umgeben von Vertreterinnen und Vertretern der Energiebranche. Er sieht die Wärmewende als unterschätzten Motor der Energiewende.
Niedersachsen will klimaneutral werden – und das schon bis zum Jahr 2040. Meyer will dabei in Niedersachsen nicht warten, bis der Bund liefert. „Hannover hat als erste Landeshauptstadt schon 2024 ihre kommunale Wärmeplanung vollendet“, betont er. 95 große Kommunen müssen bis 2026 ihre Pläne vorlegen – viele seien schon weiter. „Die meisten werden vor 2026 fertig.“
Wärme, Strom, Speicher – das neue Dreieck der Energie
Für Meyer ist klar: Die Zukunft liegt in der Verbindung. „Wärmeplanung ist ein Game-Changer“, sagt er. Denn sie zeige, wo Potenziale liegen – und wo Stromnetze ausgebaut werden müssen. Die Wärmewende sei mehr als der Austausch von Heizsystemen: „Wir müssen Wärme, Strom, Speicher und Netze als Einheit denken.“
Der Umweltminister nennt Beispiele, die in Zukunft weisen: das Biomasse-Heizkraftwerk in Hannover-Stöcken, das mit Abwärme VW-Nutzfahrzeuge versorgt, oder das Freibad Haselünne, das dank Biogasanlage klimaneutral wird. Auch Flusswärmepumpen oder Tiefengeothermie gehören für ihn dazu. „Solche Modellprojekte zeigen, dass Klimaschutz nicht Theorie, sondern Praxis ist.“
Wir müssen Wärme, Strom, Speicher und Netze als Einheit denken.
Christian Meyer
Besonders am Herzen liegt Meyer die Tiefengeothermie – und ihre Risiken bei der Suche nach den richtigen Orten. „Wir haben das Fündigkeitsrisiko – so nannte man das ja immer in der Gaswirtschaft - in Munster abgesichert“, erklärt er. Wenn die Bohrung erfolgreich ist, muss das Geld zurückgezahlt werden, wenn nicht, greift der Fonds.
Geht es nach ihm, soll ein solches Modell künftig bundesweit gelten: „Wir brauchen einen gemeinsamen Topf, eine Art Versicherung für die Kommunen.“ Die KfW solle das übernehmen – mit rund 300 Millionen Euro in der ersten Tranche. „Das wäre solidarisch – und ein echter Schub für die Wärmeplanung in Deutschland.“
Meyer weiß, dass Planungen allein nicht reichen. „Am Ende zählt die Umsetzung“, sagt er. Dafür will er Fördermittel entbürokratisieren und Kommunen mehr Handlungsspielraum geben. 90 Millionen Euro sollen direkt an sie fließen – für Klimaschutz oder Klimaanpassung, ohne komplizierte Anträge.
Auch rechtlich will er Hürden abbauen: Wer eine Wärmepumpe der mitteltiefen Geothermie bis 400 Meter Tiefe baut, liege nur noch im Baurecht, nicht mehr im Bergrecht, sagt er. Speicher im Außenbereich sollen leichter genehmigt werden. „Wir müssen da mindestens so schnell sein wie die Klimakrise.“
„Wenn wir dem Markt alles überlassen, zahlen wir das Schlechte“
Der Minister spricht auf dem Branchentag auch über Zielkonflikte: Flächen, Netze, Speicher – vieles konkurriert miteinander. Dabei warnt er vor blinder Marktgläubigkeit: „Wenn wir das dem freien Markt überlassen, zahlen wir am Ende das Schlechte.“ Er fordert klare Prioritäten und Eingriffe des Staates, um die Transformation zu steuern.
Geht es nach Meyer, sollen Förderungen, Fonds und Planung das Tempo beschleunigen – und den Kommunen Sicherheit geben. Denn eines ist für Meyer klar: Die Energiewende wird nur gelingen, wenn sie im Alltag ankommt.
„Ich freue mich, dass ich in meiner Wohnung in Hannover keine Gasheizung mehr habe“, sagt er lächelnd. „Ich heize mit Fernwärme – und das fühlt sich richtig an.“