Seit ein paar Wochen ist Ursula Heinen-Esser Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE). Bei ihrem ersten öffentlichen Auftritt in Hannover sprach sie gleich Klartext: „Wir stehen jetzt da und warten auf die Eckpunkte der EEG-Novelle, im Augenblick ist das für uns eine echte Blackbox“, sagte sie beim Branchentag des Landesverbands Erneuerbare Energien Niedersachsen/Bremen im Kuppelsaal in Hannover.
Heinen-Esser stört sich zudem aktuell auch an den Annahmen der Bundesregierung beim Stromverbrauch: „Der ist unseres Erachtens viel zu niedrig geschätzt.“ Wer aber weniger Verbrauch prognostiziere, der rechne auch mit geringeren Ausbauzielen – und gefährde damit die Dynamik der Energiewende.
Der Streit um die Realität des Stromverbrauchs
Die BEE-Chefin spricht aus, was viele in der Branche umtreibt: Wenn Rechenzentren, Künstliche Intelligenz und ein möglicherweise wieder anziehendes Wirtschaftswachstum nicht eingepreist werden, führt das zu falschen Zielen. „Hier sind wir sehr skeptisch, ob die richtigen Annahmen getroffen wurden.“
Dazu gibt es allerdings aus andere Ansichten. Georg Stamatelopoulos, Chef des Energieversorgers EnBW, hält die neuen Prognosen zum Stromverbrauch für realistisch. In den vergangenen drei Jahren sei der Stromverbrauch nur einmal gestiegen, nämlich 2024, sagte er der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Man könne durch die geringere Schätzung beim Stromverbrauch viele Milliarden sparen, weil dadurch Stromnetze zunächst nicht so stark ausgebaut werden müssten.
Heinen-Esser: Ausbaudynamik muss bleiben
In ihrer Rede plädierte Heinen-Esser für Augenmaß beim weiteren Vorgehen. „Wir wollen, dass die Novelle behutsam erfolgt, dass es keine radikalen Brüche gibt.“ Der Markt sei etwas verunsichert, aber die Ausbaudynamik müsse bleiben. Versorgungssicherheit, flexible Netze, kluge Finanzierung – all das seien Stellschrauben, an denen die Politik jetzt mit Sorgfalt drehen müsse.
Die Rede in Hannover fällt in eine Zeit des Umbruchs. In Berlin hat die neue schwarz-rote Koalition gerade ihre Arbeit aufgenommen. Die neue Wirtschaftsministerin Katharina Reiche, „eine, die sowohl die politische als auch die wirtschaftliche Seite kennt“, bringe neue Töne ein. Themen wie Kosteneffizienz und Technologieoffenheit hätten „eine ganz andere Bedeutung“ bekommen. Für Heinen-Esser kein Widerspruch, sondern eine Chance – wenn sie richtig genutzt werde.
Wir stehen jetzt da und warten auf die Eckpunkte der EEG-Novelle, im Augenblick ist das für uns eine echte Blackbox.
Ursula Heinen-Esser
Ihr Appell an die Branche und die Politik ist deutlich: „Wir müssen verhindern, dass es 2025 oder 2026 ein Rollback gibt – zurück in alte Zeiten.“ Denn das, was aufgebaut wurde, sei eine enorme Leistung: technologische Innovation, Arbeitsplätze im ländlichen Raum, wirtschaftliche Stärke. 1
Niedersachsen bezeichnete Heinen-Esser dabei als Vorreiter in der Energiewende. Dabei sei die politische Konstanz im Land – getragen von verschiedenen Parteien – einer der Gründe für den Erfolg. Das wünscht sie sich offensichtlich auch für Berlin: Stabilität statt Blackbox.